Einleitung1¶
„Good linguists are better teachers!“2¶
Die Idee eines Linguistic Toolkit ist es, entlang einer Reihe von Themen aus dem Bereich der Sprachwissenschaft zu demonstrieren, wo und in welcher Weise grundlegende linguistische Kompetenz hilfreich und gewinnbringend, wenn nicht sogar notwendig ist, wenn es darum geht, eine Fremdsprache zu unterrichten. Natürlich stellt sich hier die Frage, ob es denn nicht ausreicht, die Sprache als angehende Lehrkraft in der Universität zu studieren wie eh und je. Die Antwort darauf ist: „Ja und nein“. Wie Rolf Kreyer pointiert diagnostiziert – und die Studierenden, die an diesem digitalen Buch mitarbeiten, bestätigen dies – lassen die anderen Bestandteile des Studiums des Englischen, Französischen und Spanischen unmittelbar erkennen, warum und wo man sie für die Schulpraxis benötigt: In der Sprachpraxis erwirbt und vertieft man die sprachliche Kompetenz, die man selbst einmal vermitteln soll; in der Literaturwissenschaft setzt man sich – idealerweise auf höherem Niveau – mit der Analyse literarischer Werke auseinander, die man zum Teil auch in der Schule thematisiert. Nur der Sprachwissenschaft scheint ein unmittelbares Pendant zu fehlen. Das macht sie aber nicht unnütz für die (spätere) Unterrichtspraxis. Im Gegenteil: Als Kompetenz betrachtet helfen linguistische Fähigkeiten bei jeglicher Beschäftigung mit einer Sprache, ihrer Verwendung in verschiedenen Kontexten, ihrem Wortschatz, ihren grammatischen Besonderheiten, ihrer Kultur und ihrer Literatur (Literatur ist schließlich auch nichts anderes als eine besonders elaborierte Form der Sprachverwendung!). In diesem Sinne eignet sich der von Kreyer angebrachte Toolkit-Gedanke (eine Metapher!) sehr gut, um über den (späteren) Nutzen der Linguistik zu reflektieren.
Was ist eine Metapher (linguistisch betrachtet)?
Metaphern in der Sprache spiegeln lediglich das dahinterliegende Denken. Sie dienen dazu komplexe Sachverhalte anschaulich mithilfe von einfacheren Sachverhalten darzustellen. Konzepte aus einem konkreten Quellbereich werden auf einen abstrakten Zielbereich übertragen.
Woraus besteht so ein linguistischer Werkzeugkasten? Hier wird es natürlich Konsens unter Linguist:innen jeglicher Sprachen geben – zumindest bei einigen grundlegenden Themen wie der Phonetik, der Wortbildung, Grundlagen des Satzbaus (also Bereiche, die man in der Sprachwissenschaft manchmal als 'Systemlinguistik' oder als die 'Kernthemen' bezeichnet).
Aber Linguistik – und das ist mir ein besonderes Anliegen – umfasst so viel mehr als Lautung und Grammatik. Jede Linguistin und jeder Linguist wird entsprechend seiner (Forschungs-)Interessen, Neigungen und Erfahrungen natürlich ganz unterschiedliche Themengebiete einbringen wollen (und für essentiell halten). Und wie ein echter Werkzeugkasten kann auch so ein Toolkit daher ganz unterschiedlich aussehen: Neben dem üblichen Inventar – hier sind das Kapitel zur Lautung und Wortbildung – gibt es dann je nach Vorliebe und Anwendungsfall weitere Themengebiete. Und auch die Besonderheiten der spanischen Sprache (gegenüber der englischen und französischen zum Beispiel) mag andere Konzepte und Theorien als Instrumente für einen kompetenten Umgang mit ihnen nahelegen.
Vor diesem Hintergrund knüpft dieses digitale Sachbuch an Rolf Kreyers Grundideen an und entwickelt ein Toolkit, das sich an angehende Spanischlehrer:innen richtet. Und natürlich gilt auch hier Kreyers Ansatz, dass Lehrkräfte, die die sprachwissenschaftlichen Grundlagen ihres Faches beherrschen, besser unterrichten. Was hier pointiert auf Englisch formuliert wird, gilt natürlich für jeglichen Fremdsprachenunterricht und eben auch für das Spanische als Fremdsprache.
"Work in Progress & Peer Review"¶
Die Arbeit an diesem digitalen Sachbuch wurde zu Beginn des Sommersemesters 2025 im Rahmen eines von mir geleiteten Lehrprojekts an der Philipps-Universität Marburg aufgenommen. Es wird in kollaborativer Textarbeit gemeinsam mit Studierenden geschrieben. Im Unterschied zu statischen Lehrbüchern soll es kontinuierlich überarbeitet, verbessert und um weitere Themen erweitert werden. In den nächsten Monaten (und vielleicht Jahren) werden also peu à peu neue Textstücke hinzukommen, gemeinsam überarbeitet und dabei immer weiter durch nützliche (digitale) Ressourcen ergänzt. Die hier behandelten Themen sind als offenes Inventar gedacht. Sie entsprechen zum Teil den von Professor Kreyer behandelten Bereichen, greifen aber entsprechend der Schwerpunktsetzungen und Interessen aller Beteiligten auch andere Gebiete auf. In diesem Sinne soll hier eine Reise beginnen, deren exaktes Ende noch nicht vorbestimmt ist.
Die einzelnen Kapitel werden meist zunächst in der Gruppe im Rahmen des wissenschaftlichen Seminardiskurses konzipiert. Ausgehend von explorativen und häufig auch durch generative KI unterstützten Recherchen wird eine Kapitelstruktur erarbeitet und in Ansätzen formuliert, welche Inhalte die einzelnen Abschnitte enthalten sollten. Im Anschluss wird die Redaktion des Kapitels bzw. konkreter Abschnitte ein bis zwei Studierenden übertragen, die dann federführend verantwortlich sind und als Autor:innen firmieren. Die redigierten Kapitelentwürfe werden schließlich Gegenstand eines Peer Reviews im besten Sinne, d.h. die Studierenden sind sich gegenseitig peers und begutachten sich gegenseitig als gleichberechtigte Fachkolleg:innen. Eine letzte Kontrolle, inhaltliche und stilistische, manchmal noch Ergänzung des Textes übernehme ich als Koordinator und Mitautor, um die inhaltliche Konsistenz und kapitelübergreifende Kohärenz zu gewährleisten. In einem letzten Schritt überlegen wir in der Gruppe auf Grundlage des fertigen Kapitels, wo genau sich digitale Ressourcen sinnvoll integrieren ließen und welche Infoboxen, Querverweise, Referenzen den Leser:innen einen Gewinn bieten könnten.
Aufbau dieses Buches¶
Die folgenden Kapitel sind aktuell vorgesehen (vorläufige Liste und Reihung):
Kapitel | Leitfrage(n) | Linguistische Werkzeuge |
---|---|---|
Fehlerlinguistik | Welche Rolle spielen Fehler im Sprachlernprozess? Wie können Fehler analysiert und produktiv genutzt werden? Welche Arten von Fehlern gibt es? | Fehleranalyse, Lernendensprache, Sprachbewusstheit |
Aussprache & Orthographie | Welche Herausforderungen weist das Spanische in der Aussprache auf? Welche Aussprachevarianten sollten im Schulunterricht vermittelt werden? Wie umgehen mit der Aussprachevariation in der spanischsprachigen Welt? | Phonetik/Phonologie, Kontrast Spanisch-Deutsch, Variation |
Lexikalische Kreativität | Wie können Wortschatz und kreative Sprachproduktion gefördert werden? | Morphologie, Derivation, Neologismen |
Variation & Plurizentrik | Welche Variationsphänomene des Spanischen sind besonders relevant? Wie geht man mit Variation um? Welches Spanische ist das richtige und im Schulunterricht zulässig? | Varietätenlinguistik, Soziolinguistik, Standardologie |
Herkunftssprachen & Spanisch | Wie bereichern verschiedene Herkunftssprachen und –familien den Spanischunterricht? Welche besonderen Vorteile und Herausforderungen sind zu berücksichtigen? Wie nutze ich 'herkunftssprachliche Ressourcen' gezielt? | Mehrsprachigkeit, Sprachfamilien, Kontrastive Linguistik, Funktionale Typologie, Unterrichtsdidaktik |
Wandel | Was kann ich aus der Vergangenheit des Spanischen lernen und wie wandelt sich die Sprache heute? | Sprachgeschichte, kontrastive Perspektiven |
Dieses Kapitel zitieren
Tacke, Felix (2025): „Einleitung“. In: Tacke, Felix (Koord.): Spanische Linguistik @ School. Marburg: Universität Marburg. Online: https://linguistik.online.uni-marburg.de/ DOI: 10.5281/zenodo.15348687